19 über Nacht – Feiern auf Befehl

29/11/2011

Schon im Vorhinein gesagt: ich bin kein Fan von 30 Seconds to Mars. Ich finde ein paar Lieder ganz okay, Jared Leto überbewertet und Tomo Milicevic sehr – äh – fesch. S. hingegen ist mehr Fan vom Song „Closer to the Edge“ als von der Band selbst. Und er war bereit, mehr als 40 Euro zu blechen, um nur dieses Lied live in der Wiener Stadthalle hören zu dürfen.  Und ich durfte mit – als Revanche zum The Cure-Konzert 2008. Ich erwartete mir nicht viel – und das war auch gut so. Denn ich habe ganz vergessen, wie es ist, 19 zu sein. S. ist schon über 30 und ich kratze knapp an der Grenze und daher fühlten wir uns inmitten dieser kreischenden post-pubertierenden Emo-Teenie-Masse nicht nur fehl am Platz, sondern waren auch ziemlich bald taub. Dabei stand die Band noch gar nicht auf der Bühne, sondern ließ einfach seine Videos auf der Wall abspielen. Und jedes Mal, als Jared auf der Leinwand erschien, kreischten sie die Mädchen ihre Lungen aus dem Leib. Und jedes Mal, als „This is war“ skandiert wurde, kreischten die Mädchen dieses Mantra nach, wobei das eher nach „Des is woa“ klang. Brrrrr.

Jared Leto besitzt offenbar schon jenen Superstarstatus, wo er nicht mehr selber singen muss, sondern einfach seine Musikvideos auf der Videowall abspielt und die Leute schon in Ekstase geraten. Okay, die Stimmung in ner Halle mit Tausenden als Bunnies und SM-Püppchen verkleideten Emos ist eine etwas andere als mit Youtube auf der Wohnzimmercouch. Die andere Hälfte des Konzert lässt sich aufteilen auf echten Live-Auftritt von 30 seconds to Mars und auf Jareds Selbstanbetung, getarnt als Kommunikation mit dem Publikum. Und alles natürlich total superstarmäßig, mit „fuck“ (und alle Abwandlungen davon) als meistverwendetes Vokabel. Er fuhr das Publikum, das Sitzplätze ergattert hatte, an, gefälligst aufzustehen, er wies genau an, wie wir uns zu verhalten hätten: now clap your fucking hands! now jump! now sing! now scream fuckin loud as you can! now have a fucking awesome party! Blöderweise waren S. und ich wegen ohnehin schon in einer fucking schlechten Mood und Jared förderte nur mehr unsere passive Aggressivität. Ich schau mir doch nicht zuerst seine Videos and und lass mir dann auch noch vorschreiben, wie ich abfeiern soll!

Vielleicht bin ich zu alt für so was. Für Partizipation und so. Und Party machen, kreischen, hüpfen, „Jareeeed“ schreien und in Ohnmacht fallen. Das ist ziemlich 90er. Oder – um im Jahrtausend zu bleiben – zu sehr Justin-Bieber. Ich will einfach nur genießen. Ich will auch nicht, sobald das Licht ausgeht, meine Digicam zücken, und das komplette Konzert aufzunehmen. Weder ich noch die youtube-Seher haben was von der miesen Tonqualität. Nur die Muskelzerrung im Oberarm erinnert, dass ich an einem Konzert war, von dem ich aber leider nichts mitbekommen habe, weil ich für die Nachwelt filmen musste. Und auf der Ausnahme sieht man dann hauptsächlich andere Digicams und iPhones, die hochgehalten werden, um wiederum andere Digicams und iPhones zu filmen. Wie im Filmchen oben.

Das alles soll aber nicht heissen, dass S. und ich keinen Spaß hatten. Im Gegenteil. S. bekam sein „closer to the edge“ und ich freute mich einfach einen Abend mit meinem besten Freund zu verbringen. Das ist schon okay so. Jared gab uns auch viel Grund zum lachen, vor allem, als er immer behauptete, wie fucking awesome er Austria finden würde und er den kleinen, vor Glück strahlenden Franz-Josef, den er vorher auf die Bühne holte, zwang, ihm ein paar Wörter „in ah ah aaah – your language“ beizubringen. Our language is german, stupid! Aber eins weiss ich: Ich bin froh, dass ich nicht mehr 19 bin. Und da ist es nicht uncool, bei einem Konzert einfach nur rumzustehen, wenn mir danach ist, und einfach nur genießen! Nennt es von mir aus „innerlich abfahren“! Aber aus dem „clap your hands and say yeah“-Alter bin ich einfach draußen.

2 Antworten to “19 über Nacht – Feiern auf Befehl”

  1. Jade Says:

    Fast-Volltreffer.
    Besonders der Digcam-Part…
    Natürlich auch die Wahrnehmung der Show als quasi Nicht-Fan. Das Mitmachen bei der Mitmach-Show hat aber nichts mit dem Alter zu tun sondern ob man auf Befehl abgehen mag. Ich mag das auch nicht, trotzdem liebe ich die Band – ok, die Band, die sie VOR der Abfeier-Show waren.

  2. Eike Says:

    Das like Button Plugin waere toll. Oder ist mir der Button entgangen?


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